Tirolerhühner sind – wie die meisten alten Rassen – Zweinutzungshühner. Da sie einigermassen fleischig werden, können sie auch im Kochtopf gebraucht werden. Das gilt für die ausgedienten Legehennen ebenso wie für den mitaufgezogenen «Bruderhahn». Zweinutzungshühner wachsen langsamer und sind anders gebaut als ihre auf Hochleistung gezüchteten Artgenossen, ihr Fleisch muss deshalb etwas anders zubereitet werden. Diesem Thema hat sich die Köchin und Autorin Anna Pearson gewidmet und eine Online-Plattform realisiert, die unter anderem über die kulinarischen Besonderheiten des Zweinutzungshuhnes aufklärt.
Unter dem Motto «Huhn + Hahn» bietet sie Infos rund um das Zweinutzungshuhn und Rezepte, die speziell an das anders beschaffene Fleisch angepasst sind. Auf einer informativen und illustrativen Webseite gibt sie in folgenden Kapiteln Auskunft zu den wichtigsten Fragen:
Ein Zweinutzungshahn aus ökologischer Zucht ist aufgrund seines langsameren Wachstums zum Schlachtzeitpunkt mindestens viermal so alt wie ein konventionelles Masthuhn. Aufgrund des höheren Alters ist das Fleisch der Zweinutzungshähne anders beschaffen als jenes der unnatürlich schnell gewachsenen und auf viel Brustfleisch hin gezüchteten Masttiere: einerseits ist es aromatischer, andererseits hat es je nach Stück eine etwas festere Struktur.
Auch ist das Fleisch eines Zweinutzungshahns aufgrund seines natürlich geformten Körperbaus nicht im gleichen Verhältnis am Körper verteilt – so ist etwa seine Brust deutlich kleiner. Ein Zweinutzungshahn kann deshalb nicht genau gleich zubereitet werden wie ein gängiges Mast-huhn. Wir haben viel mit dem Fleisch von Zweinutzungshühnern experimentiert und wissen, worauf es bei der Zubereitung sowohl von den Hähnen als auch von den Suppenhühnern ankommt.
Das Tirolerhuhn gehörte zu den im zentralen und östlichen Alpenraum seit Jahrhunderten verbreiteten Spitzhauben-Hühnern und war wohl ebenfalls mit den südlich des Brenners verbreiteten Polveraras verwandt. Die Spitzhauben sollen schon im 15. Jahrhundert in Salzburger Klöstern gezüchtet worden sein.
In einer Festschrift zur fünfzigjährigen Wiederkehr der Thronbesteigung von Kaiser Franz Joseph I. 1898 wird erwähnt, dass die Rasse neuerdings an Ausstellungen hohe Preise erziele. Im Jahr 1902 ist das Tirolerhuhn dann auch Thema im Abgeordnetenhaus des österreichischen Reichsrates. Bei den Beratungen zum Ackerbauministerium wird es als gutes Beispiel für hohe Wetterhärte und Widerstandsfähigkeit gegen Krankheiten genannt, auf die bei der Geflügelzucht vermehrt abgestellt werden soll.
Ausschnitt aus Ölgemälde "Bäuerliches Idyll" von Januarius Zick (ca. 1775), süddeutscher Maler
Das Tirolerhuhn war ein schöner, mittelgrosser Schlag. Von ihm ist bis heute aber nur ein einziges modernes Foto bekannt, und auch dieses ist nicht verbürgt. Es zeigt im Hintergrund eines Grauvieh-Bullen eine schwarze Spitzhaube auf einem Hof im Oberinntal. Die Rasse war im ganzen Tirol (und Bregenzerwald) verbreitet, besonders aber rund um Innsbruck. Das Tirolerhuhn war ein sehr guter Futtersucher und mit einer grossen körperlichen Widerstandsfähigkeit gegen Krankheiten und Witterungsverhältnisse ausgestattet. Überliefert ist, dass bei abgelegenen Höfen vor allem der schwarze Farbschlag gehalten wurde, weil die Habichte sie in Ruhe liessen (Grund: Habichte hielten sie für Raben, die mit den Greifen kämpfen). Reingoldene und goldgetupfte wurden hingegen vom Fuchs weniger gut erkannt, da diese rot-braun kaum sehen können (vgl. Bambi-Tarneffekt).